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1937 bis 1945 in Lüchow im Wendland

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Lüchow um 1980
Lüchow 2005
Ortsumgehung L.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


"Der Seidenbau in der Erzeugungs-schlacht". Berlin, 1937.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
Zunächst erinnert Lydia sich als Schülerin der Mittelschule in Lüchow an die Verschleppung der einzigen jüdischen Familie aus Lüchow.  Hans Gehricke, der diese Zeit als Kind in der Ritterstraße in Lüchow erlebte, berichtet von Fallschirmjägern in Rehbeck und von Bombeneinschlägen in seiner Straße.

Lydia:
"Weil ich morgens schon vor Schulöffnung in Lüchow ankam, ging ich immer erst für eine dreiviertel Stunde zum Schuster Kautz am Glockenturm. Der ganze Hof lag immer voller Schuhe, die auf eine Reparatur warteten. Als ich eines Tages morgens früh bei Schuster Kautz ankam, sah ich, dass seine Schaufenster und seine Steppmaschinen kurz und klein geschlagen waren. Herr Kautz war sehr aufgeregt darüber. Diese Aktion sollte nicht ihm, sondern dem Hauseigentümer Mansfeld gelten, der Jude war. Ich ahnte damals mit meinen 11 Jahren nicht, dass in der Reichskristallnacht vom 9./10.11.1938 die Vernichtung der Juden eingeleitet wurde. In der Schule wurde nicht darüber gesprochen.
Ich vergaß die Sache bald und bekam auch nicht mit, dass die Lüchower Juden, eben diese Familie Mansfeld, eines Tages ein Schreiben bekamen, sie hätten sich auf den Bahnhof Lüchow zwecks Umsiedlung einzufinden. Dort kam es zu einer Tragik. Eine junge Frau der jüdischen Familie Mansfeld, die einen unehelichen Jungen von einem "Arier" hatte, wurde von ihrem kleinen Sohn Heini getrennt. Der Bahnangestellte Herr Giese und seine Frau, die Eltern meiner Schulfreundin Helga, empörten sich sehr darüber. Gute Bekannte mahnten sie zum Schweigen. Das Kind wurde abtransportiert und zwei Tage später auch die Mutter. In Lüchow gab es nun keine Juden mehr. Gekannt habe ich die Familie Mansfeld nicht."

Lydia 1939
Lydia 1939.

 
Hans Gehricke erzählt:
"Aus dem Volksempfänger, der ja nun fast in jedem Haushalt stand, wurden die Bürger 'eingenordet'. In Lüchow rekrutierte die Partei auch Mitglieder und steckte sie in Uniformen.
Ab 1937 begann auch in Lüchow ein Aufruf an die Bürger, keine Altwaren mehr an jüdische Händler zu verkaufen. Nur zwischen 'Deutschen' dürfe der Handel betrieben werden.
Im Herbst 1942 wird mein Vater eingezogen. Die Grundausbildung erfolgt in Limburg an der Lahn. Bereits im Winter wurde er nach Ostpolen verlegt und von hier aus ging es dann nach Smolensk. Etwa Mitte März war der Krieg für ihn vorbei. Mit einem Bauchschuss und mit einer Minenverletzung am Fuß, wurde er in den Hauptverbandsplatz eingeliefert."
 
Bildunterschrift: Lüchow i. Hann. Adolf-Hitler-Straße.

Die Häuser im Vordergrund auf der Jeetzel-Insel wurden um 1960 abgerissen. (siehe Lüchow in den 60er Jahren)

 

Maulbeerbaum und Seidenraupe

Zwecks angestrebter wirtschaftlicher Autonomie hat das NS-Regime schon seit Mitte der Dreißiger Jahre zur Seidenraupenzucht aufgerufen. Während des Krieges wächst der Bedarf an Seide, die unter anderem für Fallschirme benötigt wird. Schulen werden zur Produktion aufgerufen.
Die Lüchower Volks- und Mittelschule beteiligt sich. Die vorliegenden Fotos stammen aus der Schule in der Johannisstraße. Leider tragen sie kein Datum.
Seidenraupen ernähren sich ausschließlich von Blättern des Maulbeerbaums. Die Strauchform der Weißen Maulbeere wurde zu diesem Zweck in Parks und auf anderen öffentlichen Flächen als Hecken gepflanzt.


Raupen des Seidenspinners auf Maulbeerblättern.

 

Mehrmals täglich müssen die Raupen auf den Zuchtgestellen gefüttert werden.

Kontrolle der Puppen in der Spinnvorrichtung.

 

Vollendete Kokons im Gestell.

Abstreifen der Kokons auf dem Schulhof.

 

Die Kokons werden zum sofortigen Versand als Eilgut unter der Bezeichnung "Lebende Seidenspinnerkokons" verpackt und an die zuständige "Konkonabtötungsstelle" geschickt. Ein Ausschlüpfen der Seidenspinnerfalter würde die Kokons wertlos machen.
Vermutlich wurde die Seidenraupenzucht in Lüchow nur kurze Zeit getätigt. Mir liegen bis auf eine kurze Bemerkung keine Berichte darüber vor. Die Fotos belegen jedenfalls eindrücklich, dass es sie gegeben hat.

..

Ich lasse Hans Gehricke weitererzählen:
"Ab 1942/43 wird der Flugplatz in Rehbeck für die Ausbildung der Fallschirmjäger genutzt. Die angehenden Fallschirmjäger bestiegen in Salzwedel die Flugzeuge vom Typ Ju 52 und wurden dann über Rehbeck abgesetzt. Für uns Knirpse war das immer ein Ereignis, von der Eisenbahnbrücke oder vom Zusammenfluss der beiden Jeetzelarme aus konnten wir uns die Absprünge ansehen.
Nach dem Absprung wurden die 5 km zu Fuß nach Lüchow zurückgelegt und hier wurde eingekehrt, so auch bei meinem Großvater in der Frühstücks-Stube Ritterstraße 4 .
Die Bahn, von Dannenberg kommend, transportierte dann die Jungens nach Salzwedel zurück.
Auch die ersten Ritterkreuzträger wurden in Lüchow festlich begrüßt. Mit Fähnchen in der Hand 'durften' wir einen im Schützenhaus mitbegrüßen. Wenn ich mich richtig erinnere, war es ein Leutnant oder Oberleutnant Schulz!"

 


Beim Arbeitsdienst werden von den Frauen Säcke genäht.

 


Hertha Kofahl hält den Schlauch bei der Löschübung der Frauen vom Arbeitsdienst.

 


 

 


Luftschutzübung mit Gasmasken im Januar 1939 in Lüchow.                             vergrößern
"Montags-Klasse" vor dem Ratskeller

 


"Dienstags- und Donnerstags-Klassen" vor dem Amtsturm.                                   vergrößern
Der hauptamtliche Kreisluftschutzwart Johannes Carmanns hat seine Büro im Amtshaus, wo auch die NSDAP ihr Parteibüro eingerichtet hat. Er führt die regelmäßigen Schulungen durch und beaufsichtigt die Einrichtung und Kennzeichnung der Luftschutzkeller.

 
 
 
Drei Fotos von einer Luftschutzübung im Januar 1939 in Lüchow.       


 

 

Hans Gehricke:
"Am 4. Mai 1942, gegen 1.30 Uhr erlebte Lüchow den einzigen Bombenabwurf.

 
Getroffen wurde der Schützenplatz mit drei Bomben, die vierte Bombe fiel in der Schützenstrasse vor dem Kofahlschen Haus und die fünfte in der Drawehner Straße. Die Schäden waren sehr groß. Die Westseite des Hauses in der Schützenstrasse wurde zerstört und in der Drawehner Strasse reichten die Schäden von der Dannenberger Strasse bis zur Schützenstrasse, hier wurden zwei Häuser völlig zerstört.
Getroffene Häuser in der Drawehner Straße. 1942.
In Lüchow kehrte nun wieder Ruhe ein. Allerdings wurde die Versorgung mit Stoffen und anderen Bedarfsgütern immer schwieriger. Meine Mutter schneiderte unter dem Motto: "Aus alt mach neu!" Aus Vaters abgelegtem Anzug bekam ich zwei kurze Hosen und eine Jacke. Hierzu hatte sie einen Schnittmusterbogen aus Leipzig bestellt, der auch prompt geliefert wurde.
Mit den Lebensmitteln wurde es auch immer enger. Da wir einen großen Garten hatten und zwei Schweine, eine Kuh und eine Ziege im Garten hielten, konnten wir uns fast autark ernähren. Oma Gehricke hatte aber einen Mittagstisch eingerichtet. Die Gäste der Frühstücks-Stube wollten eine etwas abwechselungsreichere Kost bekommen. Oma und Mutter mussten sich da schon etwas einfallen lassen. Zunächst bekamen wir Einquartierung aus Hamburg, dann kamen, ab 1944, die ersten Flüchtlinge aus dem Osten. Im Kreishaus wurden ab 1943/1944 Flamen untergebracht.
Ab 1945 kamen dann noch Mecklenburger, Altmärker und Berliner hinzu. Jedes Haus war bis unter das Dach belegt.
Riesige Bomberpulks überflogen nun Lüchow in Richtung Berlin und Magdeburg-Leipzig. Das Ausmaß der Zerstörungen wurde von der Propaganda herunter gespielt. Die Kondensstreifen sprachen ihre eigene Sprache! Am 17. April 1945 schloss die Reichspost in Lüchow die Schalter. Am 20. April wurde dumpfer Kanonendonner in Lüchow vernommen. Bei jedem Fliegeralarm flüchteten wir in unseren Keller. Opa war Luftschutzwart!
Am Abend des 21. April 1945 wurde Lüchow beschossen! Vom Lübbower Berg erreichten die Granaten ihr Ziel. Einige Granaten orgelten über Lüchow hinweg, andere forderten Tote und Verletzte sowie Sachschäden und zwei Brände. Die Brennerei am Bahnhof ging in Flammen auf und bei uns schlug gegen 20.30 Uhr eine Granate ein. Sie durchschlug das Dach des Erkers, die Bodendecke, die Hauswand im Schlafzimmer und krepierte im Nachbarhaus bei Tischler Schulz. Dieses konnte nur schwer gelöscht werden, weil Phosphor mit im Spiel war. Wir wurden im Kaninchenkeller von Hausmeister Müller des Kreishauses untergebracht. Damit war für uns der Krieg zu Ende. Am 22. April 1945 erfolgte die Übergabe der Stadt an die Amerikaner ohne Widerstand.

   
Vater erhielt das EK II und das Verwundeten-Abzeichen. Blieb dafür aber dem Lazarett bis Januar 1944 erhalten. Anfang März wurde Vater noch einmal eingezogen. Er ging mit einer Stütze! Nach 14 Tagen war er dann wieder im Haus.
Schwiegervater erhielt für seinen
Einsatz in Afrika die Erinnerungs-
Medaille (am 8. Mai)."

 

Es sei noch hinzugefügt, dass der Ausdruck "rekrutierte die Partei auch Mitglieder und steckte sie in Uniformen" genau die übliche Verschleierung und Verdrehung der Tatsachen enthält. In Wirklichkeit war hier der beste Nährboden für die Partei. Als es noch freie Wahlen gab und alle Parteien offen ihren Wahlkampf führen konnten und auch in Lüchow führten, erbrachte Lüchow und der Kreis Lüchow Spitzenergebnisse für die NSDAP (1932 bis zu 65%), zum Teil erreichten die Ergebnisse nahezu das Doppelte des Landesdurchschnitts.
 
In den Kriegsjahren wird im Wendland ein neues Dorf in der regionaltypischen Bauweise eines Rundlings errichtet.  Ein Dorf wird es nur zum Schein für die Aufklärungsflugzeuge der Alliierten. Unter höchster Geheimhaltung soll hier die entscheidende "Wunderwaffe" hergestellt werden.

Neu Tramm - "Dorf" voller Geheimnisse bis heute

 

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