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1937
bis 1945 in Lüchow im Wendland
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Bereich
Seiten zu Lüchow:
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Kanalbau 1960-61
Die Insel
Drawehner J.
Burgmühlen J
Th.-K.-Brücke
Hohe Brücke
Gutshof
Lüchow um 1980
Lüchow 2005
Ortsumgehung L.
"Der Seidenbau in der Erzeugungs-schlacht". Berlin, 1937.
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Zunächst erinnert Lydia sich als Schülerin der
Mittelschule in Lüchow an die Verschleppung der einzigen jüdischen
Familie aus Lüchow. Hans Gehricke,
der diese Zeit als Kind in der Ritterstraße in Lüchow erlebte,
berichtet von Fallschirmjägern in Rehbeck und von Bombeneinschlägen in
seiner Straße. |
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Lydia:
"Weil ich morgens schon vor Schulöffnung in Lüchow ankam, ging ich immer
erst für eine dreiviertel Stunde zum Schuster Kautz am Glockenturm. Der
ganze Hof lag immer voller Schuhe, die auf eine Reparatur warteten. Als ich
eines Tages morgens früh bei Schuster Kautz ankam, sah ich, dass seine
Schaufenster und seine Steppmaschinen kurz und klein geschlagen waren. Herr
Kautz war sehr aufgeregt darüber. Diese Aktion sollte nicht ihm, sondern dem
Hauseigentümer Mansfeld gelten, der Jude war. Ich ahnte damals mit meinen 11
Jahren nicht, dass in der Reichskristallnacht vom 9./10.11.1938 die
Vernichtung der Juden eingeleitet wurde. In der Schule wurde nicht darüber
gesprochen.
Ich vergaß die Sache bald und bekam auch nicht mit, dass die Lüchower
Juden, eben diese Familie Mansfeld, eines Tages ein Schreiben bekamen, sie
hätten sich auf den Bahnhof Lüchow zwecks Umsiedlung einzufinden. Dort kam
es zu einer Tragik. Eine junge Frau der jüdischen Familie Mansfeld, die
einen unehelichen Jungen von einem "Arier" hatte, wurde von ihrem kleinen
Sohn Heini getrennt. Der Bahnangestellte Herr Giese und seine Frau, die
Eltern meiner Schulfreundin Helga, empörten sich sehr darüber. Gute Bekannte
mahnten sie zum Schweigen. Das Kind wurde abtransportiert und zwei Tage
später auch die Mutter. In Lüchow gab es nun keine Juden mehr. Gekannt habe
ich die Familie Mansfeld nicht."
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Lydia 1939. |
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Hans Gehricke erzählt:
"Aus dem Volksempfänger, der ja nun fast in jedem Haushalt stand,
wurden die Bürger 'eingenordet'. In Lüchow rekrutierte die Partei auch
Mitglieder und steckte sie in Uniformen.
Ab 1937 begann auch in Lüchow ein Aufruf an die Bürger, keine Altwaren
mehr an jüdische Händler zu verkaufen. Nur zwischen 'Deutschen' dürfe der
Handel betrieben werden.
Im Herbst 1942 wird mein Vater eingezogen. Die Grundausbildung erfolgt
in Limburg an der Lahn. Bereits im Winter wurde er nach Ostpolen
verlegt und von hier aus ging es dann nach Smolensk. Etwa Mitte März
war der Krieg für ihn vorbei. Mit einem Bauchschuss und mit einer
Minenverletzung am Fuß, wurde er in den Hauptverbandsplatz
eingeliefert." |
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Bildunterschrift: Lüchow i. Hann.
Adolf-Hitler-Straße.
Die Häuser im Vordergrund auf der Jeetzel-Insel wurden um 1960
abgerissen. (siehe
Lüchow in den
60er Jahren) |
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Maulbeerbaum und Seidenraupe
Zwecks angestrebter wirtschaftlicher Autonomie hat das NS-Regime schon
seit Mitte der Dreißiger Jahre zur Seidenraupenzucht aufgerufen.
Während des Krieges wächst der Bedarf an Seide, die unter anderem für
Fallschirme benötigt wird. Schulen werden zur Produktion aufgerufen.
Die Lüchower Volks- und Mittelschule beteiligt sich. Die vorliegenden
Fotos stammen aus der Schule in der Johannisstraße. Leider tragen sie
kein Datum.
Seidenraupen ernähren sich ausschließlich von Blättern des
Maulbeerbaums. Die Strauchform der Weißen Maulbeere wurde zu diesem
Zweck in Parks und auf anderen öffentlichen Flächen als Hecken
gepflanzt. |
Raupen des Seidenspinners auf Maulbeerblättern. |
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Mehrmals täglich müssen die Raupen auf den Zuchtgestellen gefüttert
werden. |
Kontrolle der Puppen in der
Spinnvorrichtung. |
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Vollendete Kokons im Gestell. |
Abstreifen der Kokons auf dem Schulhof. |
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Die Kokons werden zum sofortigen Versand als Eilgut unter der
Bezeichnung "Lebende Seidenspinnerkokons" verpackt und an die
zuständige "Konkonabtötungsstelle" geschickt. Ein Ausschlüpfen der
Seidenspinnerfalter würde die Kokons wertlos machen.
Vermutlich wurde die Seidenraupenzucht in Lüchow nur kurze Zeit
getätigt. Mir liegen bis auf eine kurze Bemerkung keine Berichte
darüber vor. Die Fotos belegen jedenfalls eindrücklich, dass es sie
gegeben hat. |
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Ich lasse Hans Gehricke weitererzählen:
"Ab 1942/43 wird der Flugplatz in Rehbeck für die Ausbildung der
Fallschirmjäger genutzt. Die angehenden Fallschirmjäger bestiegen in
Salzwedel die Flugzeuge vom Typ Ju 52 und wurden dann über Rehbeck
abgesetzt. Für uns Knirpse war das immer ein Ereignis, von der
Eisenbahnbrücke oder vom Zusammenfluss der beiden Jeetzelarme aus konnten wir
uns die Absprünge ansehen.
Nach dem Absprung wurden die 5 km zu Fuß nach Lüchow zurückgelegt und hier
wurde eingekehrt, so auch bei meinem Großvater in der Frühstücks-Stube
Ritterstraße 4 .
Die Bahn, von Dannenberg kommend, transportierte dann die Jungens nach
Salzwedel zurück.
Auch die ersten Ritterkreuzträger wurden in Lüchow
festlich begrüßt. Mit Fähnchen in der Hand 'durften' wir einen im
Schützenhaus mitbegrüßen. Wenn ich mich richtig erinnere, war es ein Leutnant
oder Oberleutnant Schulz!"
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Beim Arbeitsdienst werden von den Frauen Säcke genäht. |
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Hertha Kofahl hält den Schlauch bei der Löschübung der Frauen vom
Arbeitsdienst. |
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Luftschutzübung mit Gasmasken im Januar 1939 in Lüchow.
vergrößern
"Montags-Klasse" vor dem Ratskeller |
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"Dienstags- und Donnerstags-Klassen" vor dem Amtsturm.
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Der hauptamtliche Kreisluftschutzwart Johannes Carmanns hat seine Büro
im Amtshaus, wo auch die NSDAP ihr Parteibüro eingerichtet hat. Er
führt die regelmäßigen Schulungen durch und beaufsichtigt die
Einrichtung und Kennzeichnung der Luftschutzkeller. |
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Drei Fotos von einer Luftschutzübung im Januar 1939 in Lüchow.
Hans Gehricke:
"Am 4. Mai 1942, gegen 1.30 Uhr
erlebte Lüchow den einzigen Bombenabwurf.
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Getroffen wurde der
Schützenplatz mit drei Bomben, die vierte Bombe fiel in der Schützenstrasse vor dem Kofahlschen Haus
und die fünfte in der Drawehner
Straße. Die Schäden waren sehr groß. Die Westseite des Hauses in der
Schützenstrasse wurde zerstört und in der Drawehner Strasse reichten die
Schäden von der Dannenberger Strasse bis zur Schützenstrasse, hier wurden
zwei Häuser
völlig zerstört. |
Getroffene Häuser in der Drawehner Straße. 1942. |
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In Lüchow kehrte nun wieder Ruhe ein. Allerdings wurde die Versorgung mit Stoffen und anderen
Bedarfsgütern immer schwieriger.
Meine Mutter schneiderte unter
dem Motto: "Aus alt mach neu!" Aus Vaters abgelegtem Anzug bekam ich
zwei kurze Hosen und eine
Jacke. Hierzu hatte sie einen
Schnittmusterbogen aus Leipzig
bestellt, der auch prompt geliefert
wurde.
Mit den Lebensmitteln wurde es
auch immer enger. Da wir einen
großen Garten hatten und zwei
Schweine, eine Kuh und
eine Ziege im Garten hielten, konnten wir uns fast autark ernähren. Oma
Gehricke hatte aber einen Mittagstisch eingerichtet. Die Gäste der
Frühstücks-Stube wollten
eine etwas abwechselungsreichere Kost bekommen. Oma und Mutter
mussten sich da schon etwas einfallen lassen. Zunächst bekamen wir
Einquartierung aus Hamburg, dann kamen, ab 1944, die ersten Flüchtlinge aus
dem Osten. Im Kreishaus wurden ab 1943/1944 Flamen untergebracht.
Ab 1945 kamen dann noch Mecklenburger, Altmärker und Berliner hinzu. Jedes
Haus war bis unter das Dach belegt. |
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Riesige Bomberpulks überflogen nun Lüchow in Richtung
Berlin und Magdeburg-Leipzig.
Das Ausmaß der Zerstörungen
wurde von der Propaganda herunter gespielt. Die Kondensstreifen
sprachen ihre eigene Sprache!
Am 17. April 1945 schloss die Reichspost in Lüchow die Schalter. Am 20. April wurde dumpfer
Kanonendonner in Lüchow vernommen. Bei jedem Fliegeralarm
flüchteten wir in unseren Keller.
Opa war Luftschutzwart!
Am Abend des 21. April 1945
wurde Lüchow beschossen!
Vom Lübbower Berg erreichten
die Granaten ihr Ziel. Einige Granaten orgelten über Lüchow hinweg, andere forderten Tote und
Verletzte sowie Sachschäden und
zwei Brände. Die Brennerei am
Bahnhof ging in Flammen auf
und bei uns schlug gegen 20.30 Uhr eine Granate ein. Sie durchschlug das
Dach des Erkers, die Bodendecke, die Hauswand im Schlafzimmer und krepierte
im Nachbarhaus bei Tischler Schulz.
Dieses konnte nur schwer gelöscht werden, weil Phosphor
mit im Spiel war.
Wir wurden im Kaninchenkeller
von Hausmeister Müller des
Kreishauses untergebracht. Damit
war für uns der Krieg zu Ende.
Am 22. April 1945 erfolgte die
Übergabe der Stadt an die Amerikaner ohne Widerstand. |
Vater erhielt das EK II und das Verwundeten-Abzeichen. Blieb dafür aber dem Lazarett bis Januar 1944 erhalten.
Anfang März wurde Vater noch einmal eingezogen. Er ging mit einer Stütze!
Nach 14 Tagen war er dann wieder im Haus.
Schwiegervater erhielt für seinen
Einsatz in Afrika die Erinnerungs-
Medaille (am 8. Mai)."
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Es sei noch hinzugefügt, dass der Ausdruck "rekrutierte
die Partei auch Mitglieder und steckte sie in Uniformen" genau
die übliche Verschleierung und Verdrehung der Tatsachen enthält. In
Wirklichkeit war hier der beste Nährboden für die Partei. Als es noch
freie Wahlen gab und alle Parteien offen ihren Wahlkampf führen
konnten und auch in Lüchow führten, erbrachte Lüchow und der Kreis
Lüchow Spitzenergebnisse für die NSDAP (1932 bis zu 65%), zum Teil
erreichten die Ergebnisse nahezu das Doppelte des Landesdurchschnitts.
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In den Kriegsjahren wird im Wendland ein neues Dorf in der
regionaltypischen Bauweise eines Rundlings errichtet. Ein Dorf wird es nur zum Schein für die Aufklärungsflugzeuge der
Alliierten. Unter höchster Geheimhaltung soll hier die entscheidende "Wunderwaffe"
hergestellt werden.
Neu Tramm - "Dorf" voller Geheimnisse bis
heute
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(Seite erstellt im Februar 2007) |