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Wustrow 1939 bis 1945

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Auch in Wustrow wurde niemand gezwungen, in die Partei einzutreten. Tatsächlich hatte 1930 die SPD in Wustrow noch einen relativ hohen Stimmenanteil und es gab sogar einige Prozente für die KPD. Zusammengenommen hatten aber die nationalistischen, monarchistischen und antirepublikanischen Parteien die Mehrheit. Allen voran stand die Deutsch-Hannoversche-Partei, die allgemein im Wendland bevorzugt und auch von der regionalen Presse unterstützt wurde. Aber schon bei Wahlen 1932 erhält die NSDAP in der Region und auch in Wustrow haushohe Mehrheiten. Die Kreise Lüchow und Dannenberg, die 1932 wieder zu einem Landkreis zusammengelegt werden, gehören zu den Regionen mit den höchsten Wahlergebnissen für die NSDAP.
Und das schon vor dem Jahr der "Machtergreifung"!
 

Hochzeit in Wustrow um 1940. Der Bräutigam trägt die Uniform des Reichsarbeitsdienstes mit der Armbinde der Partei. Die Jungmädel (BDM) stehen Spalier.

Wustrow i. Hann., Adolf-Hitler-Straße.
 
Der bald obligatorische "Arier-Nachweis" war für jedermann deutliches Zeichen, woher der Wind weht. "Wir haben davon nichts gewusst."  ????
 
Nach zwei Kriegsjahren werden Konsumgüter rationiert.  Die Aufzählung der üblichen Kleidungsstücke ist lang und für heutige Generationen wohl mit vielen Fragezeichen verbunden: Strumpfhaltergürtel, Hüfthalter, plattierte Hemdhosen, Schlüpfer und Beinkleider, Unterröcke ...
 

Bei diesen Fotos vom Wustrower Erntefest ist leider kein Jahr angegeben. Man kann deshalb mit diesen Fotos nichts belegen. Wenn sie schon vor 1933 aufgenommen wurden, wären erschreckende Schlüsse möglich. Für spätere Jahre müsste man die Beflaggung als zaghaft oder "mangelhaft" im Sinne der Vorschriften interpretieren.

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Anfang vierziger Jahre. Ernie Wolter ist eingezogen und soll Stalingrad erobern.
Elisabeth muss nun umso mehr in der Landwirtschaft mit anpacken. Sie ist dazu auch fähig. Reitend ein Gespann zu führen ist ihr genauso Routine, wie mit Pferden zu pflügen.

Weniger leicht ist es in dieser Zeit, einen Mann zu finden. Aber es gibt ja jedes Jahr das Wustrower Erntefest und Elisabeth ist eine lebenslustige Frau.
 
Für die Fortsetzung muss ich ein wenig ausholen.
Harald Weinert, Jahrgang 1913, aus Chemnitz ist Mitte der Dreißiger Jahre als ausgebildeter Elektriker längere Zeit arbeitslos. Er sucht Weiterbildung in Telegrafie und Kurzwellenfunk. Er findet solche Ausbildung im militärischen Bereich und als der Krieg beginnt, ist er bei der Luftwaffe als Funker tätig. 1941 wird er als Ausbilder nach Salwedel in den dortigen Fliegerhorst versetzt.
Die jungen Ausbilder vom Fliegerhorst Salzwedel machen häufig Ausflüge ins Umland, wo sie gern gesehen werden. So findet man sie auch eines Sonntags auf dem traditionsreichen wendländischen Erntefest in Wustrow. Ihnen gefällt dieses Fest. Die Stimmung ist gut und man kommt auf Brautschau voran. Die feschen Luftwaffenuniformen imponieren den jungen Wustrowerinnen, besonders Elisabeth Wolter.
Nach dem Flirt beim Erntefest folgen noch einige Treffen zwischen Elisabeth und Harald Weinert. Mit Ihrer Clique von Mädchen aus Wustrow und Soldaten aus Salzwedel radeln sie oft gut gelaunt durchs Wendland.
Aber schon auf der Verlobungsbekanntgabe heißt es "zur Zeit im Felde". Harald Weinert wird von Salzwedel nach Italien und von dort nach Nordafrika eingesetzt.
Die Tochter erzählt:
"Meine Eltern haben 1942 in Wustrow geheiratet. Mein Vater kam direkt aus Italien. Ein paar Monate haben sie dann in Halle gewohnt. Mein Vater musste wieder nach Italien zurück und von dort ging's nach Nordafrika (unter Kesselring, nicht Rommel).

Aus der Verlobungsanzeige:

Feldwebel der Luftwaffe
z. Zt. im Felde
 

Aus der Heiratsanzeige:

Feldwebel der Luftwaffe
z. Zt. Urlaub

 


"Hochzeit in Wustrow: Meine Mutter hatte kein weißes Kleid an. Man dachte praktisch. Dieses Hochzeitskleid war noch in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre ihr Sonntagskleid."

 

"Vater kam bald nach der Hochzeit in britische Kriegsgefangenschaft, lief weg und landete dann wieder als Kriegsgefangener bei der französischen Fremdenlegion. 1947 kam er mit weniger als 50kg Körpergewicht und mit zerschundener Gesundheit nach Hause."

Im Herbst 1942 beginnen die deutschen Fronten einzubrechen. In Nordafrika verliert Rommel die Schlacht bei El Alamein und die Alliierten besetzen den Maghreb. Die französischen Vichy-Truppen in Nordafrika schließen sich den Alliierten an. Bald kommt keine Post mehr von Harald Weinert, der bei den in Auflösung begriffenen deutschen Truppen in Tunesien verschollen geht. Erst im September 1943 kommt in Wustrow ein Brief vom Luftgaukommando VII an, in dem es lakonisch heißt:

 
"Die Feststellungen über der Verbleib der Angehörigen der "Heeresgruppe Afrika" haben ergeben. daß die Einheit ihres Mannes, Feldwebel Weinert Harald an den Kämpfen in Tunesien beteiligt war. Nähere Nachrichten liegen bis heute noch nicht vor."
 

         

 
Während Weinert in Tunesien in Gefangenschaft gerät, steckt Elisabeths Bruder Ernie Wolter in Stalingrad.
Auf der Zeichnung der Woltersche Hof in Wustrow. In diesem Jahr bestehen noch kaum Zweifel am "siegreichen Deutschland". Im Oktober 1942 erhalten Wolters einen Brief aus Stalingrad, der wohl wegen der Zensur lediglich Andeutungen macht und vielleicht beruhigend wirken soll. Es wird der letzte Brief sein:

Hof Wolter in Wustrow. Eine Zeichnung von 1947.

..

Brief aus Stalingrad:
"Russland, d. 9.10.1942
Liebe Schwester
Habe deinen Brief mit dem Briefpapier erhalten. Habe mich sehr darüber gefreut, dass du mir gleich geschrieben hast.
Wie ich deinen Brief erhalten habe, war ich schon drei Wochen hier. Mit meinem Bein ist es soweit vorbei. Habe erste Zeit noch viel Schmerzen gehabt, jetzt ist alles vorbei.
Nun liebe Schwester will ich dir etwas über den Krieg schreiben. Es geht hier sehr scharf zu. So mancher Kamerad hat hier sein Leben lassen müssen. Es wird nämlich hier munter gekämpft was das heißt wird wohl Harald besser wissen als du. Wir haben bis heute noch kein schlechtes Wetter gehabt. Das ist unser Glück, sonst würde es uns manchmal sehr schlecht gehen. Werner Braunschweig wird wohl diese Woche in Urlaub fahren.
 
Es war zu Hause doch besser als hier. Ich konnte mich erst gar nicht wieder gewöhnen, aber es muss wieder gehen. Von zu Hause habe ich noch keine Post erhalten. Erwarte jeden Tag eine Nachricht.
Nun liebe Liesbeth will ich schließen, denn ich habe keine Zeit mehr. Grüße an Harald.
Dein Bruder Ernst
Schreibe bitte bald wieder"
Als der Brief geschrieben wird,  beginnt die Einkesselung Stalingrads durch die sowjetische Armee. Sechs Wochen später ist der Kessel dicht und Ernst Wolter erlebt die langen Monate des Kampfes um Stalingrad. Er überlebt dieses Desaster, zuletzt ohne Lebensmittel, und gehört zu den letzten deutschen Soldaten, die völlig entkräftet in russische Gefangenschaft "marschieren". Auf diesem Marsch kommt er um. Er wird von einem russischen Fahrzeug überrollt.
"Meine Eltern haben Opa nicht überzeugen können, dass Ernie tot war, obwohl sie ihrerseits von einem Rückkehrer gehört hatten, dass Ernie auf dem Weg in die Gefangenschaft von einem Panzer, der mutwillig immer wieder in den Gefangenentreck gefahren ist, überrollt wurde. Meine Eltern haben es für besser gehalten, meinem Opa nie die Wahrheit zu erzählen."

Links: Ernie Wolter.
 
In Wustrow hat man noch lange Zeit keine Ahnung vom kommenden Untergang.
 


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Etwas mehr Hintergrund über diese Zeit erfahren wir von Lydia in

Grabow   

 

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