|
Klein Breese 1932-1944
Geschichte einer allzeit "mobilen" Familie
Fotos und Informationen von
Irmgard Schierarend |
Mehr von
Klein Breese 1930
Klein Breese 1950
|
|
Im Wendland waren nicht alle Familien so ortsgebunden, wie es in
manchen Geschichten den Eindruck macht. Mobilität bezüglich Wohnort
und Flexibilität bezüglich Beruf sind keine neue Erfindung. |
|
|
Ausgangspunkt ist der Stellmacher Heinrich Baark, der am Anfang des
Jahrhunderts seine große Familie mit acht Kindern besonders mit viel
Arbeit beim Grafen von Bernsdorf ernährt.
1929 wohnt er als Altenteiler in Gartow Nr. 21 und sein Sohn Heinrich Baarck jun. hat die Stellmacherwerkstatt unter selbiger Adresse
übernommen.
Ein weiterer Sohn,
August Baark (geb. 1890), hat ebenfalls Stellmacher gelernt, aber er
erkennt frühzeitig, dass es sinnvoll für die Zukunft ist, sich nach
anderen Berufen umzusehen. Zunächst erhält er eine Stelle als Polizist
in Schwerin. Über seine Zeit dort ist nichts bekannt, aber er holt sich
eine Frau aus Klein Breese. Frieda Günther, geb. 1897 in Klein Breese, hat schon einen Sohn (Hermann
Günther), als sie August Baarck in Schwerin heiratet. Eine Tochter
Irmgard wird in Schwerin geboren und sie wird unsere Zeitzeugin, die
diese Fotos und Daten zur Verfügung stellt.
1925 zieht es August und Frieda Baarck mit Familie wieder in die Heimat.
Herr Baarck hat inzwischen seinen Beruf gewechselt und das
Bäckerhandwerk gelernt.
|
August Baark |
|
|
Frieda Günther etwa 1915 in Klein Breese |
|
Es gelingt Familie Baarck 1925 in Gartow eine Bäckerei zu bauen. Bei
Fertigstellung wird ein Foto gemacht, auf dem wir auch die Tochter
Irmgard sehen. Die Bäckerei floriert und so finden wir im Adressbuch
von 1929 den Eintrag: August Baarck, Bäckermeister, Haus Nr. 129. |
|
|
Dabei bleibt es aber nicht lange. Denn 1932
wird deutlich, dass die Günthers in Klein Breese (Frieda Baarcks
Eltern) ihren Hof nicht mehr allein bewirtschaften können.
Familie Baarck gibt die Bäckerei in Gartow auf und zieht nach Klein
Breese Nr. 15 (heute16). August Baarck wird nun hauptberuflich
Landwirt. Seine vier Töchter wachsen auf dem Hof mit den Großeltern
auf. Irmgard Schierarend, geb. Baarck, erzählt gern in
plattdeutschen Versen von ihren Großeltern: |
Klein Breese Nr. 3. - Frieda Baarcks Bruder, Hermann Günther, hat die Hoferbin
von Nr. 3 in Klein Breese, Wilhelmine Scharfbier, geheiratet und führt
diesen Hof. |
|
|
|
Zum Vorlesen Klick hier:
Ton
Slarn = hölten Tüffel = Holzpantoffeln, das tägliche Schuhwerk bei allen
Arbeiten.
|
|
|
Viel Spaß hat die Jugend in der "Karp(f)enkuhle" von Klein Breese
(außerhalb vom Dorf gelegen).
"Da haben wir viel gebadet. Es gab da viele
Wollhandkrabben." |
|
|
|
Zum Vorlesen Klick hier:
Ton
"Tüffeln" heißen nicht nur die Pantoffeln sondern auch die Kartoffeln.
"Pelltüffellaak" = ein Tuch/Laken, das auf dem Tisch ausgebreitet wurde.
Darauf wurden die Pellkartoffeln geschüttet, von denen sich jeder bediente.
Man stippte dann seine Kartoffel in die gemeinsame Pfanne mit Fett in
der Mitte des Tisches. |
|
|
Irmgard (links) mit ihren drei
Schwestern, von denen zwei später in entfernte Regionen ziehen.
Adelgunde heiratet in Klein Breese auf den Namen Saatmann. |
Irmgard Baarck (rechts) mit " de jung Lüüt von Lütt Brees".
(1938) |
|
|
Gastwirtschaft von Heinrich Tietke |
Schulhaus |
|
|
Einige Jahre gehen die Mädchen in Klein Breese zur Schule und
verleben eine unbeschwerte Kindheit. |
|
|
Aber schon 1938 zieht Familie Baarck wieder um, zunächst an einen
Ort, der den Nachkommen nicht mehr in Erinnerung ist. Die Ländereien
von Hof 15 werden
verpachtet.
August Baarck wird gleich zu Beginn des Krieges eingezogen und ist bei
der Besetzung Polens dabei. Es ist ihm aber zuwider, am Krieg
teilzunehmen und es gelingt ihm, mit seiner ersten Ausbildung als
Polizist von der Wehrmacht weg und auf einen sicheren Posten bei der
Polizei in Salzhausen zu kommen. |
1938 auf dem Dorfplatz in Klein Breese. |
|
|
Hermann Günther mit Familie. |
Hermann Günther |
Else Baarcks ältester (uneheliche) Sohn
Hermann Günther hat weniger Glück. Er wird 1944 unfreiwillig zur SS einberufen (oder von der Wehrmacht
zur SS überstellt??).
Seine Einheit ist in Tschechien stationiert. Sein letzter Urlaub ist der
Schwester Irmgard Schierarend heute noch lebhaft in Erinnerung. Er ist
sehr aufgebracht und ohne konkreter zu werden, deutet er an, er wisse,
dass er nach dem Urlaub ganz fürchterliche Dinge machen müsse. Aber er
werde das nicht mitmachen.
Nach seinem Urlaub
gibt es keine Nachricht mehr von ihm. Er gilt als vermisst. Die Familie nimmt an, dass er
dann tatsächlich Befehle
nicht befolgt hat und wegen Befehlsverweigerung oder als Deserteur
umgebracht worden ist. |
|
|
Dieses Schicksal hat Irmgard Schierarend ihr Leben lang nicht losgelassen.
Als ihr Sohn 1968 den Kriegsdienst verweigern will, herrscht noch ein Geist
in der Gesellschaft, der Kriegsdienstverweigerung trotz gesetzlicher
Grundlage schier unmöglich macht. Der Sohn sitzt deshalb in Munster im
Arrest, weil er keinen Dienst mit der Waffe machen will. Die Mutter wird zu
einer Anhörung geladen und dabei stellt sie die Erlebnisse und das Schicksal
ihres Halbbruders drastisch dar und erkämpft damit die Anerkennung ihres
Sohnes als Kriegsdienstverweigerer.
Foto:
Rudolf Günther, geb. 1900 in Klein Breese, ist im Krieg bei der Marine in
Wilhelmshaven. Er überlebt den Krieg, stirbt aber kurz danach an einer
simplen Angina,
weil es kein Penicillin gibt. |
|
|
|
Wir lassen Irmgard Schierarend auf den Seiten über die 50er Jahre von
weiteren Ortswechseln der Baarcks weitererzählen.
In der Tour beschränken wir uns
auf der nächsten Seite ganz auf gelungene Fotografenaufnahmen von
Personen ohne dazugehörige Geschichten, weil diese nicht bekannt sind.
Eine Seite voller Fragen an Menschen aus Hitzacker: "Who is?"
Hitzackeraner
um 1940
|
|
|
zurück
nach oben
Weiter in dieser
Spur
(Seite erstellt im im Januar 2009) |