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Wibbese um1900
Kritisch zu lesende Anekdoten
aus der Schulchronik und
aus
Familienüberlieferungen
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Bereich
Mehr von Wibbese
Wibbese1900
Wibbese 1910
Wibbese 2005
Mützing. 1910-63
Mützingen 1920
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"In uralten Zeiten soll Wibbese zwei Ortschaften
gebildet haben. Hinter dem zweiten Berg von hier nach Mützingen vermutet
man das zweite Dorf, weil man hier noch eine Strecke Pflaster ausgegraben
hat. Später müssen beide am hiesigen Orte sich vereinigt haben, man
sagt, sie seien zusammengewippt, daher der Name Wibbese."
So lehrt es Schulmeister Grimme um 1900 seine Schüler in Wibbese. In
die Schulchronik schreibt er ausführliche Aufsätze mit vielen
handfesten Informationen aber auch mit wortreichen Beschimpfungen der
Wibbeser Bauern, so dass der Schulinspektor eine Notiz in die Chronik
legt mit folgendem Inhalt: |
Diese Chronik ist wegen einer Reihe von
ungehörigen persönlichen Bemerkungen auf Veranlassung des Herrn
Kreisschulinspektors zu den Akten gelegt.
Breselenz November 1909
Der Ortsschulinspektor
(Unterschrift nicht lesbar)
Bei Grimmes Beschreibung von Land und Leuten muss man also seine
Abneigung gegen das Dorfleben berücksichtigen. Über die Geschichte von
Wibbese finden wir jedoch auch konkrete Daten. |
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Wibbese war bis 1874 ein wendländisches Rundlingsdorf.
1874 vernichtete ein Feuer wegen der engen Bauweise in einem Rundling
13 Gebäude, also praktisch das ganze Dorf. Dazu schreibt der
Schulmeister:
Im Jahre 1874 sollte Wibbese seinen
wendischen Charakter verlieren. Das Dorf wurde durch eine Feuersbrunst
zerstört. Am 14. Juli Nachts 3 ½ Uhr brach das Feuer beim Hauswirt
Kofahl aus und griff mit solcher Gewalt um sich, dass nach kurzer Zeit
13 Gebäude in Asche lagen, nämlich die Häuser und Nebengebäude von
Kofahl, Bischoff, Heuer, Stute, Stahlbohm und des Abbauers Saurcke.
Das Schulhaus blieb Dank der eifrigen Arbeit der Gemeinden Fließau und
Bellahn, obgleich es dicht am Feuer und unter dem Winde lag,
verschont.
Noch im selben Sommer wurde quer durchs Dorf eine Straße
ausgesteckt und rechts und links derselben bekamen die Abgebrannten
ihre Plätze. |
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Über die Familien Kofahl und Heuer in Wibbese ist für die zweite Hälfte
des 19. Jahrhunderts einiges überliefert, da sie in Schule, Kirche und
Gemeinde aktive Vorstandsposten inne hatten. Der Schulverband besteht um
diese Zeit aus den Gemeinden Wibbese, Mehlfien, Mützingen, Gamehlen,
Fließau, Bellahn und Teichlosen. Wie üblich hat der Lehrer eine
Wohnung im Schulgebäude zu dem auch eine Scheune und Stallungen
gehören, so dass der Lehrer eine kleine Selbstversorger-Landwirtschaft
betreiben kann.
Johann Christopher Kofahl ist
für 1859 als Schulvorsteher genannt. |
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Die außerhalb stehende Schule war bei dem Großfeuer "leider“ unversehrt geblieben. Das
Gebäude war sehr alt und marode. Schon 1857 hatte man einen Neubau
beschlossen, aber erst in den 70er Jahren kam es wenigstens zu einer Teilrenovierung.
Als 1890 Lehrer Grimme kam, der gerade die europaweit opferreiche
Grippe-Epidemie überstanden hatte, beklagte er in der Schulchronik die Zustände. In einem Raum von 20 qm unterrichtete ein Lehrer 100 Kinder.
Im hohlen Fußboden lebten viele Generationen Mäuse, die den Schülern das
Frühstück aus den Schulranzen holten. Die Wohnung war schlecht zu heizen,
feucht, voller Schimmel und für die dreiköpfige Lehrerfamilie gab es einen
Schlafraum von 2m x 1,20m . (Wohl eine sogenannte "Butze", siehe
Foto). |
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1892 wurde endlich eine neue Schule gebaut. Dabei gab es einen Streit
zwischen dem damaligen Ortsvorsteher Johann Christopher Kofahl und dem
Lehrer, der von den Kirchen- und Schulvorstehern Heuer und Schulz unterstützt
wurde.
Die streitenden Kofahl und Heuer waren über ihre Familien eng verbunden.
Kofahl war verheiratet mit einer Tochter von Heuers. Vielleicht wurden da
auch verwandtschaftliche Streitigkeiten ausgetragen.
Trotz manchem Streit und Hader
musste man sich wieder zusammenraufen, wovon auch eine weitere Anekdote
zeugt, die Lehrer Grimme überliefert:
Mit der Verkoppelungssache gleichzeitig oder sonst
nach Vollendung derselben wurde die Aufbringung des Sommerschulgeldes
beschlossen. Hierdurch kam die Stelle auf 250 rh zu stehen. Aber heißes Blut
und erhitzte Köpfe hat dieser Beschluss bei den Bauern hervorgerufen. Den
Urheber dieser Neuerung glaubten sie in dem derzeitigen Küster Knorre gefunden
zu haben; an den suchten sie sich zu rächen.
In heimlicher Verbindung bei einer Tonne Bier verschwuren sie sich, dass
niemand dem Küster ein Pferd wieder anspannen wolle. Lange hatte der Küster
unter dieser Verschwörung zu leiden, bis endlich Heuer aus Wibbese diesen
schändlichen Schwur mit den Worten: „Un wenn ick de Tonne Bier allein schall
betahlen, ick spann wedder an vör Köster“, brach , seitdem haben die anderen
sich auch allmählich beruhigt und wieder angespannt.
Theodor Knorre war von 1858 bis 1885 Küster und Lehrer in Wibbese.
Sein früher Tod (55 J.) ist für Grimme ein Beleg für die hässlichen Zustände
in der Wibbeser Schule:
Der Lehrer Knorre war früh im besten Alter verstorben.
Wer die Verhältnisse genau kannte, für den waren die Gründe nicht unschwer
in der seelischen Aufregung über den Kampf mit der materiellen Sorge, dem
Ärger über das Gebaren der Gemeinde und den vorhin geschilderten, der
Gesundheit überaus schädlichen Zuständen der Wohnung zu finden.
Nur wenige Jahre (1885-1890) blieb Georg Heinrich Rademacher Lehrer
in Wibbese. Auch dafür hat Grimme eine Erklärung:
Der Lehrer Rademacher wurde leidend und entzog sich
dem sicheren Verderben, indem er eine geringer dotierte Stelle in Grabow
annahm.
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Johann Christoph Kofahl
Maria Katharina Kofahl, geborene Heuer
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Über Lehrer Rademacher hat Prof. Notbohm bei seinen Studien
für die Grabower Chronik einige Dokumente gefunden, die die
Episode in neuem Licht erscheinen lassen. Demnach war der Lehrer
wohl zumindest ein Querulant, der den Wibbeser Bauern bald
unerträglich wurde, so dass sie ihm kündigten. Er erhielt in Grabow
eine neue Stelle als Lehrer und zusätzlich als Posthalter. Es gelang ihm
längere Zeit, die Grabower mit den Briefgebühren übers Ohr zu hauen.
(Immer mal 5 Pf mehr zu nehmen). Es gab ein Gerichtsverfahren und am
Ende musste Rademacher das Dorf verlassen und durfte es nie wieder betreten.
Weil es so beliebt ist, über die "Trinkfestigkeit" der alten
Wendländer herzuziehen, hier noch ein Zitat:
Trunksucht hat die meisten Höfe sehr herunter
gebracht. Wie es die Alten getrieben habe ich in Chronik I erzählt.
Ihr bestes Land versoffen! Aber jetzt noch werden ungeheure Summen
für Branntwein und Rum ausgegeben. Die Frauen nehmen den Rum in den
Kaffee und trinken. Besonders lecker erscheint ihnen das „Bröcken“.
Wird da Branntwein in eine Schale gegeben und Honigkuchen „eingebröckt“.
Die Schale mit Löffel geht an den Festtagen zur Weihnachtszeit
morgens Reihe herum und jeder Männlein, Weiblein, Knecht und Kind
löffelt und löffelt bis oft Erbrechen erfolgt. Weihnachtsmorgen in
der Kirche kann man es merken. Hochrote Gesichter und ein Geschwätz
vor der Kirche.
Na denn Prost!Grimmes Nachfolger Gustav Meinecke, von 1905 bis 1908 Lehrer in
Wibbese, berichtet ebenfalls von haarsträubenden Zuständen in den
Dörfern seiner Schulgemeinde. Im folgenden Zitat soll uns aber die
Gründung der Ziegelei interessieren, deren Geschichte wir später
weiter verfolgen wollen.
Im Frühjahr 1907 wurde auf der Wibbeser
Feldmark nahe bei Mützingen eine Ziegelei von dem Ziegelmeister
Ehrenfort aus Sarenseck gebaut. Es ist das insofern ein
erfreuliches Ereignis für die hiesige Gegend, als dadurch den Bauern
Gelegenheit gegeben wird, ihre Baumaterialien, die sie sonst von
Hitzacker herbeischaffen mussten, aus nächster Nähe zu beziehen.
Hoffentlich verschwinden nun so nach und nach die elenden Lehmkaten
in Mützingen! Wenn ich jetzt die Eltern da besuchen will, weiß ich
oft nicht, ob ich hineingehe oder meinen Schritt wieder heimwärts
lenke: Dicker Rauch schlägt mir in der Tür entgegen, ich tappe mich
zur Stube: ein Moorduft schlägt mir daraus entgegen und raubt mir
den Atem, aber meinen Augen bietet sich ein seltsames Szenario: Die
kleinen Kinder liegen auf dem glatten Fußboden und schlafen, die
größeren sitzen mit den Eltern um einen großen Haufen Kartoffeln und
lesen sie auseinander. Ein trübes Lämpchen scheint dazu: das ist das
Bild, das ich oft angetroffen.
Wie gesagt hat der Schulinspektor die Auslassungen der Lehrer in
der Chronik nicht gutgeheißen. Wenden wir uns deshalb den
Familienüberlieferungen zu.
Die Tongrube für die neue Ziegelei gehört zum Hof der Familie
Kofahl.
Johann Christoph Kofahl und seine Frau Maria Katharina,
geborene Heuer, hatten zwölf Kinder. Drei starben
bereits als Kleinkind, zwei davon innerhalb einer
Woche an Diphtherie.
Der Kofahlsche Hof umfasst 130 Morgen Acker, Wiesen und Wald. Auf dem nächsten Foto zeigt Familie
Kofahl ihre Kies- und Tongrube.
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Das Foto stammt mit unklaren
Überlieferungen aus dem Nachlass der Kofahlschen Familie. Nach Recherchen
über die Ziegelei vermute ich, dass es aus dem Jahr der Inbetriebnahme
der Ziegelei 1907 stammt. Es ergibt Sinn anzunehmen, dass der junge Mann
im Anzug der Ziegeleigründer Carl Ehrenfort ist. (Weiteres dazu auf der
Seite
Mützingen,
obwohl die Ziegelei eigentlich zur Gemeinde Wibbese gehört.) Die Mädchen
und einer der Männer gehören zur Familie Kofahl. Sie lassen sich auf dem
nächsten Foto wiedererkennen. |
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J |
Familie Kofahl vor ihrem Hof
etwa 1908.
Rechts Johann Christoph, der 1911 tödlich verunglückt.
Seine Frau wird trotz zwölf Schwangerschaften ein hohes
Alter erreichen. Den
Hof übernimmt Heinrich (auf dem Foto links). Die beiden
jüngsten Töchter Emma und Lina werden wir auf ihrem
weiteren Lebensweg begleiten. |
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Dazu benötigen wir zunächst die
Tarmitzer Spur.
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Das gesamte Anwesen von Kofahl existiert heute
noch in nahezu unverändertem Zustand.
Fotos von 2005 |
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Ziegelei Mützingen
(Seite
erstellt 2005, ergänzt im Sept. 2010) |
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