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Wustrow
um 1900
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Wustrow 1945
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Wustrow ist stolz, seit 1377 Stadt genannt zu werden. Da spielt
die Größe keine Rolle. Auf ihrem Minimum um 1820 wurden 655 Einwohner
gezählt. Die Stadt wuchs besonders um die 19. Jahrhundertwende. 1970
führt die Statistik 1250 Einwohner auf. Für die Darstellung der
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation in der Blütezeit im ersten
Viertel des Jahrhunderts beschränke ich mich auf wenige Absätze. Für eine umfassende Darstellung sei
auf die Literatur des
Museums Wustrow verwiesen.
Es soll auch hier das Alltagsleben aus Sicht einer
Familie im Vordergrund stehen. Für viele Fotos und die dazu gehörigen Recherchen gilt der Dank
Carola McRae. |
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Der
Wustrower Bahnhof hat schon seit 1891 Anschluss an das Fernbahnnetz.
und damit hat Wustrow positive Standortbedingungen für
Fabriken oder Manufakturen und um die Jahrhundertwende setzt in
Wustrow mit einem größeren Bergwerk tatsächlich eine gewisse
Industrialisierung ein. Bergarbeitersiedlungen ändern das vormals
eher landwirtschaftlich geprägte Bild der kleinen Stadt. |
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Die Umstrukturierung bei der Flachs- und Leinenverarbeitung
hat schon vorher begonnen: |
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Bedeutende Wirtschaftszweige im Wendland waren Flachsanbau und
Verarbeitung bis zum fertigen Tuch. Dies wurde in bäuerlichen Familien
oder kleinen Dorfgemeinschaften betrieben.
Ab 1871 wurde eine große mechanische Weberei von Familie Wentz in
Wustrow eingerichtet. Aus der Größe der Fabrik mit 30 englischen
Webmaschinen lässt sich leicht schließen, dass dies eine
wirtschaftliche Umstrukturierung mit sozialen Auswirkungen bedeutete.
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Maschine zur Herstellung von Damastgewebe. Bei einer späteren
Erweiterung der Fabrik eingebaut. |
Der Kontrast der beiden Fotos mag dies verdeutlichen. Als
beeindruckende symbolische Handlung wird berichtet, dass der letzte
selbständige Weber in Wustrow, "der alte Kirchendiener Jacobs", 1895
seinen Webstuhl auseinander geschlagen habe.
Die Spinnräder und Handwebstühle in den Bauernstuben wurden allgemein
im Wendland weniger. In Wustrow gab es jetzt industrielle
Arbeitsplätze und um 1900 wurde die Weberinnung aufgelöst. |
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Ein wenig Vorgeschichte aus dem
19. Jahrhundert zu unserer Wustrower Spur: |
Ein kleines Dokument, geschrieben von einem Mädchen
in den 1860er Jahren.
Eleonora Jacobs (geb. 1851) erzählt einer Freundin, wie sie ihrer
Mutter eine Überraschung zum Geburtstag bereitet hat. |
Lesbarer Text
Fotokopie |
Eleonora ist die Tochter einer
alteingesessenen Wustrower Familie. Die Daten von Geburten und
Todesfällen in ihrer Familie schreibt sie bis 1900 sauber in ein Heft.
Vater Heinrich Jacobs führt eine
Schlachterei, die heute
noch unter dem Namen Jakobs existiert.
Eleonora bildet sich als Weißnäherin aus. Damit kann sie mehr oder
weniger selbständig etwas Geld verdienen. Weißnäherinnen waren für
Bettwäsche, Tischdecken, Handtücher, Topflappen und ähnliches
zuständig. Dies alles wurde aber in der Regel als Aussteuer von den
Frauen im Haus der Braut hergestellt. (Übrigens lange bevor ein
Bräutigam in Sicht war.) Umfang und Qualität der Aussteuer einer Braut
waren ein wesentliches Statussymbol. Wohlhabende Familien,
insbesondere Großbauern holten eine qualifizierte Weißnäherin ins
Haus, um den Frauen des Hauses Unterstützung zu geben. |
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In den siebziger Jahren wird nun für Eleonora selbst ein Mann gesucht.
Die Familie hat da jedenfalls viel mitzureden. Die Jakobs werden mit
ihrer Schlachterei von
den wirtschaftlichen Umwälzungen beruflich nicht negativ betroffen und
akzeptieren die Zeichen der Zeit. Wer bei Wentz einen sicheren Posten
hat, könnte eine gute Partie für die Tochter sein.
Die Weberfamilie Wolter, die aus Schlesien nach Lüchow gezogen war,
schickt weitsichtig ihren
Sohn Wilhelm Wolter (geb. 1853) zur gerade in Betrieb
genommenen Leinenweberei Wentz in Wustrow. Er hat in Volzendorf
Damastweber gelernt. In der Fabrik in Wustrow hat Wilhelm als
Webermeister ein
zukunftssicheres Einkommen und wird von Familie Jacobs als Schwiegersohn auserwählt. Oder: Er kann Eleonora Jacobs 1878 zur Frau
gewinnen.
Wilhelm und Eleonora leben nicht im Wohlstand, aber sie haben mit
Eleonoras Aushilfstätigkeit ausreichend Einkommen, um sechs Kinder
erfolgreich groß zu ziehen. Diese bleiben nicht alle in Wustrow. Von
Emma ist bekannt, dass sie irgendwann nach Hamburg geht.
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Karl Wolter wird Schlachter. 1910 stellt er sein Haus für eine Schauvorführung der
Feuerwehr (gegründet 1877) zur Verfügung. Was hier so
realistisch nach Feuer aussieht, ist nur eine Beschädigung des
Fotos.
Auch Karls Familie lebt später in Hamburg. |
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Diese beiden Fotos aus Wustrow zeigen
Familie Ebel in dieser Zeit, also niemanden von Wolter-Jakobs.
Oben das Haus der Familie Ebel in der Marschstraße Anfang des Jahrhunderts, unten Ostern
1913.
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Die anderen vier Kinder von Wolters können wir im nächsten Jahrzehnt
weiter beobachten. Jetzt ist mal ein Blick auf eine der beiden Kreisstädte fällig.
Lüchow
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Seite erstellt 2006
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