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Blick über die Elbe
Wootz in der Lenzer Wische (Westprignitz)
1900 bis 1925
Quellen:
Herbert Roost
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Mehr von der Lenzer Wische:
Wootz 1900-1925
Wootz 1925-1945
Flucht über
die Elbe 1953
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In der Tour beginnen wir eine weitere Spur, die später nach Naulitz führen
wird. Wir begeben uns an die Elbe und verlassen um ein paar Hundert Meter das Wendland. Im Jahre 1910 können wir mit der Fähre von Gorleben rüber
fahren nach Wootz in der Lenzer Wische. So heißt das feuchte Gebiet zwischen
Elbe und Löcknitz. Aufgereiht und nahe am Elbufer liegen die Orte Gaarz,
Baarz, Besandten, Unbesandten, Kietz, Rosensdorf, Groß und Klein Wootz und
Mödlich. In der Spur der Wootzer Familien erhält später das Thema "Grenze"
besondere Bedeutung. Da wird es um die nahezu unüberwindliche Grenze
zwischen Ost- und Westeuropa gehen. Nach 1990 grenzen hier die Bundesländer
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen
aneinander.
Zur Zeit der kleinen Staaten in Deutschland im 19. Jahrhundert liegt die
Westprignitz im Grenzgebiet vom Fürstentum Schwerin-Mecklenburg, dem
Königreich Preußen/Brandenburg und dem Königreich Hannover.
Aus dieser Zeit erzählt Herbert Roost: |
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Um 1910 gibt es um die Lenzer Wische keine Schlagbäume.
Lenzen ist um diese Zeit ein Ausgangspunkt für
Fernreisen, denn der Bahnhof hat gute Anbindung nach Berlin.
Die Fähre Pevestorf und die Fähre
Gorleben verbinden beide Seiten der Elbe. Der Strom ist weniger trennend als die
ausgedehnten Wälder des sandigen Gartower Forst und der immer nassen Lucie.
Entsprechend stark sind die Beziehungen der Dörfer beiderseits der Elbe,
besonders auch die verwandtschaftlichen Bindungen.
Von den Dörfern zwischen Gartow und Gorleben fährt man mit einer der Fähren
rüber zur Lenzer Wische und steigt in Lenzen in den Zug nach Hamburg oder
Richtung Berlin. |
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Im Mittelpunkt unserer Spur steht die Familie Roost, deren ferne Vorfahren vermutlich aus
Holland zum Deichbau an der Elbe angeworben wurden. Der Name Roost ist in
der Lenzer Wische häufig vertreten. Deshalb werden Beinamen vorangestellt.
Wilhelm Roost (geb. 1847) wird Kürassier-Roost genannt, denn er war mit der
schweren Kavallerie 1870/71 in Frankreich. Um 1910 ist er Bauer auf seinem Hof
in Groß Wootz, der seit Generationen in Familienbesitz ist. Seine Frau Juliane
geb. Wieneke stammt aus dem Nachbarort Rosensdorf. Ihre Mutter ist früh
gestorben. Der Vater hat noch zweimal geheiratet und das wiederholte Unglück nur
mit viel Alkohol ertragen. Juliane ist die einzige Tochter geblieben und erbt
den schönen Hof in Rosensdorf. Der ist zwar hoffnungslos verschuldet, aber
Wilhelm und Juliane Kürassier-Roost bringen von Wootz aus die Wirtschaft wieder
in Schuss.
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Das Haus der Familie Roost in Groß Wootz. |
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1907 legt ein Großfeuer in Rosensdorf fast alle Häuser in Schutt und Asche.
Das Dorf wird neu aufgebaut und auch Kürassier-Roost errichtet neue Gebäude, die
nun viel schöner sind, als die alten Strohdachhäuser in Groß Wootz und die
Familie zieht 1911 um nach Rosensdorf und bewirtschaftet von dort aus die beiden
Höfe.
Zur Familie gehören acht Kinder, die in den folgenden Jahrzehnten für einen
umfangreichen Verwandtenkreis sorgen. Die sechs Töchter heiraten in Wootz und in den
Nachbardörfern. Weil die vielen Namen für diesen Text sehr verwirrend wären,
konzentrieren wir uns auf den jüngsten Sohn Hugo Roost (geb. 1892). Sein
älterer Bruder Wilhelm hätte eigentlich das Erbe antreten sollen. Aber ...
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Hochzeitsgesellschaft 1913. |
1913 heiratet Wilhelm Roost jun. Antonie
Lamprecht aus Unbesandten. Beiden ist nur ein kurzes Glück gegönnt.
Schon 1914, kurz nach der Geburt der Tochter Anneliese, stirbt die junge
Mutter und Wilhelm Roost wird eingezogen und an die Ostfront geschickt.
In Litauen wird er 1915 von Heckenschützen erschossen. Die kleine
Anneliese ist noch kein Jahr alt, als sie zur Vollwaisen wird. Sie
wächst bei den Großeltern auf.
Hugo Roost ist zwar der Jüngste, aber nun der einzige Sohn. |
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Das Elternhaus von Antonie Roost, geb. Lamprecht, in Unbesandten etwa um 1912.
Die
Familien von Walter Lamprecht und Johann Schramm. |
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Hugo Roost 1913 in Perleberg |
Aber zunächst muss auch Hugo Roost für den Kaiser dienen. Sein
Wehrdienst beginnt 1913 bei der
Kurmärkischen Feldartillerie in Perleberg und der Dienst ist noch
nicht abgeschlossen, als der Krieg "ausbricht",
also
die kaiserlichen Truppen in Luxemburg einmarschieren. Hugo Roost
ist dabei.
Schon nach einigen Wochen wird er in der Marneschlacht verwundet
und gerät in französische
Gefangenschaft. Pech für den Kaiser, aber Glück für Hugo, denn
so überlebt er all das Töten dieses Krieges.
Allerdings kann er erst 1920 nach Wootz zurückkehren.
Das Foto wurde 1917 in der Gefangenschaft aufgenommen. Hugo
Roost stehend links. |
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Noch während des Weltkriegs stirbt auch der jetzt 72 jährige Kürassier
Wilhelm Roost. Auf dem Foto von 1916 mit der kleinen elternlosen
Anneliese und seiner Frau Juliane (stehend links), die jetzt als über 60
jährige Bäuerin die Leitung und Verantwortung für zwei Höfe ohne Männer
trägt. Mit Hilfe der Verwandtschaft (stehend rechts "Tante Anna") und
wohl auch, wie nun überall in Europa üblich, mit dem Einsatz von
Kriegsgefangenen wird die Wirtschaft weiter geführt.
Sobald Hugo aus der französischen Gefangenschaft zurück ist, soll er
sich eine Frau suchen, damit alles wieder seine Ordnung erhält. |
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Gelegenheiten gibt es bei den Tanzveranstaltungen und Hugo Roost
findet schnell Anschluss. Beim "Vergnügen" im Gasthaus Willbrandt in
Mödlich funkt es. Schon im Mai 1921 heiratet er Elli Mertens aus
Mödlich und der Sohn Herbert ist zu dem Zeitpunkt schon angekündigt.
Herbert Roost, hier als Kleinkind schon
mit wachem Blick, wird uns später alles erzählen. |
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Geburtshaus von Elli Roost, geb. Mertens, Hof 43 in Mödlich.
(1932) |
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Eine Ansichtskarte von etwa 1913. Beim Tanz in der Gastwirtschaft von Willbrandt
lernen Hugo und Elli sich kennen. (Die Mödlicher Mühle wird im
April 1945 beim Beschuss vom Höhbeck aus von Granaten getroffen und brennt
nieder.) |
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Hugo Roost trifft noch eine weitere schnelle Entscheidung. Während der
Hyperinflation baut er ein neues Wohnhaus auf dem Hof in Wootz. "Ein Schwein hab
ich verkauft und damit den Rohbau bezahlt" erzählt er später oft. (vergl.
Grabow 1920). Aber der Innenausbau kostet dann
doch richtig(es) Geld und verzögert sich bis 1925. Bis dahin wohnt die Familie
in Rosensdorf. Den dortigen Hof soll Anneliese erben.
Das Neue Haus in Wootz. |
Ziehbrunnen in Mödlich |
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Familie Gilberg betreibt in Wootz eine Mühle und eine Bäckerei. Die Söhne August
und Karl Gilberg heiraten zwei Schwestern von Hugo Roost. |
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Gilbergs Windmühle |
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August Gilberg (auf dem Foto) heiratet Elise Roost und übernimmt die Mühle.
Karl Gilberg heiratet Anna Roost und übernimmt die Bäckerei. |
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Gilbergs Bäckerei |
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Es folgen weitere Eindrücke aus den Nachbardörfern:
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Bauernhaus in Kietz. |
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Hofseite des Hauses in Kietz. |
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Ohne Ortsangabe. Um 1920.
Zu diesem Foto ein Hinweis
per Mail im Juli 2010 von Paul-Albert Voigt: "Dies gehört aber auf
"unsere" Elbseite: Nach Siemen." |
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Bevor wir das Leben in der Westprignitz weiter verfolgen, fahren wir mit der
Fähre Pevestorf zurück über die Elbe und die Tour führt uns zu einer kurzen Beobachtung von
Gartow.
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(Seite erstellt im März 2010) |