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23. April 1945
Bei deutschem Nachtgegenangriff auf Pevestorf wird
ein Zug Amerikaner im Haus Conrad eingeschlossen.
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Von
Karl-Heinz Schwerdtfeger |
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Sieben Berichte erhielt der Autor von ehemaligen
US-Soldaten der I-Kompanie, die an den Kämpfen in Pevestorf, bzw. an
der Verteidigung des Hauses Conrad teilgenommen haben. Davon werden
nachfolgend die drei ausführlichsten Berichte wiedergegeben. |
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Die Situation:
Am Sonntag, den 22. April 1945, waren zwei Gruppen des 3. Zuges der
I-Kompanie im Haus Conrad eingezogen. Darüber hinaus waren die
restlichen Männer der Gruppe vom 1. Zug ebenfalls im Hause
untergekommen. Beim Feuergefecht am Morgen beim Hause Wolgast waren 3
Mann der 2. Gruppe gefallen und 4 Mann waren mehr oder weniger schwer
verwundet worden. Höchstens 4 Mann waren von dieser Gruppe (squad),
welche die Vorausabteilung der I-Kompanie gebildet hatte,
einsatzbereit übriggeblieben. Dann blieben auch noch die zwei
unbewaffneten Sanitäter „Doc“ und „Red“ im Hause Conrad. So befanden
sich insgesamt 18 Amerikaner im Hause.
Jenseits der Straße im Hause Jirjahn befand sich der
Kompanie-Gefechtsstand der I-Kompanie. Der Kompanieführer, Captain
Phillips, war am Abend zum Bataillons-Gefechtsstand in Gartow gefahren
und dort geblieben.
Pevestorf, Haus der Familie Conrad, am 26. April 1945.
Der Splitterschutz aus Holzbalken vor den Fenstern des
Luftschutzkellers ist zu diesem Zeitpunkt bereits entfernt worden.
Foto: Privataufnahme von Lt. Bob Streeter, Zugführer 2. Zug,
I-Kompanie, 335.Regiment. |
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Pfc. (Ogfr.) Rodney Bond,
3.Zug (platoon), I-Kompanie,335. Infanterie-Regiment, 84.
US-Infanterie-Division.
Rod war in seiner Gruppe (squad) der „bazooka“-Schütze.
Foto: Privataufnahme von Rodney Bond. Hier Anfang Mai 1945 in
Altenzaun an der Elbe
Rodney Bond berichtet von seinen
Erlebnissen im Hause Conrad: |
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„... Abwechselnd standen wir Wache hinter den zerbrochenen
Fensterscheiben und den Türen. Die Abenddämmerung kam und die nun
eintretende Ruhe gegenüber der lärmigen Verrücktheit der vergangenen
paar Stunden bildete einen krassen Gegensatz....“
„...Aber spät in der Nacht brach plötzlich die Hölle los. Später
erfuhr ich, daß es 1,45 Uhr gewesen ist. Die Deutschen unternahmen
überraschend einen Nachtgegenangriff.
Sie griffen ohne vorherige Artillerie-Unterstützung an, deshalb wurden
wir völlig überrascht. Denn, sobald wir selbst einen Angriff
starteten, schoß vorher unsere Artillerie oder Granatwerfer (mortars)
das Angriffsziel sturmreif.
Woran ich mich bei diesem Nachtangriff hauptsächlich erinnere, wird
wohl einzigartig in den Annalen unserer Divisionsgeschichte sein.
Im Mondlicht näherte sich unserem Haus eine kleine Herde von Kühen,
gefolgt von einer Gruppe deutscher Soldaten. Die Kühe muhten, die
deutschen Soldaten brüllten sich Befehle zu. Es folgte ein
unbeschreibliches Durcheinander mit Geknatter von Gewehrfeuer,
explodierenden Handgranaten und Panzerfäusten. Ein Panzerfaustgeschoß
kam durch unsere geöffnete Haustür und explodierte an der Treppe im
Hausflur. Seltsamerweise wurde nur ein Mann leicht verletzt, aber die
Abwärtstreppe zum Keller war zertrümmert. Es war hinterher eine
Turnerei, um über die zerstörte Treppe in den Keller zu gelangen.
Die Schießerei auf der ganzen Länge des Dorfes zog sich über
wenigstens zwei Stunden hin. Unsere Artillerie und besonders die
Granatwerfer (mortars) schossen Sperrfeuer auf unsere Köpfe, um die
angreifenden Deutschen zu stoppen. Granaten explodierten in den Gärten
und auf den Höfen. Mehrere Gebäude im Ort standen in Flammen. Auf der
Nachbarfarm auf unserer Straßenseite tobten besonders harte Kämpfe. Da
explodierte eine Panzerfaust nach der anderen. Automatische
Handfeuerwaffen ratterten pausenlos.
Und mittendrin landeten die Granaten unserer Artillerie und Werfer.
Wir verteidigten uns so gut wie es ging.
Sobald ein Deutscher über die Mauer auf unseren Hof springen wollte,
wurde er durch unser Gewehrfeuer davon abgebracht. Wir warfen
Handgranaten hinter die Hofmauer auf die Straße, wo wir lauernde
Deutsche vermuteten.
Dann verlagerte sich der Kampfeslärm nach Restorf, und nur noch
vereinzeltes Gewehrfeuer war in Pevestorf zu hören. Ich kann mich
nicht erinnern, ob unsere Artillerie da noch weiter auf Pevestorf
gefeuert hat.
Inzwischen mußten wir feststellen, daß wir in unserem Hause allein
geblieben waren. Alle anderen hatten sich aus Pevestorf zurückgezogen.
Wir waren vom Feind eingekreist und von unserer Einheit abgeschnitten.
...“ |
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Pfc. (Ogfr.) Lawrence
Seifner,
2. Gruppe, 1. Zug, I-Kompanie, 335. Regiment.
Foto: Privatfoto von Sgt. Bill Brill
Lawrence (Larry) Seifner berichtet vom
deutschen Nachtgegenangriff: |
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„...Hunderte von Jerries (Deutsche), die als
Versprengte eingesammelt und zu einer
Kampfeinheit aufgestellt worden waren,
machten Pevestorf für uns zu einem teuren
Einkauf. Alle Leute der I-Kompanie, mit
Ausnahme unserer nur in Gruppenstärke
vorhandenen Mannschaft im Hause (Conrad),
wurden aus Pevestorf hinausgetrieben,
zurück nach Restorf und sogar bis nach
Gartow.
Im Verlauf der Nacht verbrannten
die Jerries (Deutsche) unsere sämtlichen
Kompanie-Papiere, kesselten uns ein und
schnitten uns von unserer Einheit ab.
Unsere gruppenstarke Mannschaft
(squad sized group) und eine andere Gruppe
(squad) irgendwo die Straße runter wurden
als einzige in Pevestorf zurückgelassen.
Die Jerries besaßen überwältigende Feuerkraft und zahlenmäßige
Überlegenheit. Wir hatten keine automatischen Waffen. Wir hatten keine
Funkverbindung zu anderen Gefechtsposten. Die Deutschen brachten uns
die Hölle. Nach Stunden des Angriffs schienen sie sich zurückzuziehen.
Ich mochte das überhaupt nicht,
war hellwach, obwohl wir über mehrere
Tage keinen richtigen Schlaf gefunden hatten.
Plötzlich reflektierte ein Blitz im Fensterglas nahe bei mir. Ich
sprang auf und drehte mich weg. Das deutsche Panzerfaustgeschoß traf
die Zarge der offenen Hauseingangstür.
Der Explosionsdruck warf mich gegen eine Wand und Fensterrahmen. Es
traf mich hart am Kopf. Als ich dann wieder zu mir kam, versuchten
Foster und Leutnant Gill mir zu helfen. Ich hatte ein schreckliches
Gefühl in der Leistengegend. Mir war vom Bauch her übel. Meine Hose
war zerrissen von den Hüften abwärts bis zu beiden Beinen.
Doc (einer der beiden Sanis) entfernte einen Metallsplitter aus meinem
Bein. Die ganze Zeit konnten wir mit der Erste-Hilfe-Versorgung durch
unsere Sanitäter rechnen.
Wir kämpften um unser Überleben und unser Leben war völlig abhängig
von der Zuverlässigkeit untereinander. Jeder von uns im Hause
Anwesenden mußte sich auf den anderen verlassen können.
Während der Nacht sprang Sgt. (Feldwebel) Albert A. Clegg mehrmals
hinaus und warf Handgranaten über die Begrenzungsmauer auf die
dahinter lauernden Deutschen. Aber dann gingen ihm die Handgranaten
aus. Wir hatten fast keine Munition mehr.
Ich hatte weniger als ein Magazin (clipp = Magazin für 15 Schuß)
Patronen in meinem Gewehr übrigbehalten. Wir wären wegen
Munitionsmangel nicht imstande gewesen, einen möglichen weiteren
Angriff der Deutschen abzuwehren. ...“ |
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Pfc. (Schütze) Lyndal Hagemeyer,
2. Zug,I-Kompanie,
335. Regiment.Foto: Privataufnahme Lyndal Hagemeyer
Lyndal Hagemeyer war mit der Gruppe Sgt.
Brill auf vorgeschobenem Posten im Hause Günter Lütke am nördlichen
Dorfausgang rechts der Straße. Er flüchtete weit nach Südosten, durch
den Restorfer See nach Quarnstedt und wurde völlig durchnäßt von dort
weiter nach Gartow zurück transportiert. Er berichtet vom deutschen
Überraschungsangriff.
Die Ereignisse auf dem Hof Conrad hat er nur von späteren Berichten
der dort abgeschnittenen Gruppe notiert, also nicht eigenes Erleben! |
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„... Ich erinnere mich, daß im Wechsel
jeder von uns trotz des sporadischen
Ari-Feuers ein oder zwei Stunden
Schlaf nahm. Irgendwann in der Nacht
oder in den frühen Morgenstunden
des 23. April kamen die Deutschen
vom Rande der Höhen herab über die
Dorfstraße und setzten zum Gegenangriff
an. Einige stürmten nordwestlich von
uns den Hügel herunter auf die Straße
direkt auf uns zu. Immer wenn sie auf
dem Straßenpflaster rannten, konnten
wir die metallenen Geräusche der
genagelten Solen ihrer Stiefel hören.
(Diese genagelten Stiefel habe ich immer als
armselige Stiefel für Soldaten betrachtet,
obwohl deren Solen lange gehalten haben
werden.) Es wurde auf uns gefeuert und wir
schossen zurück. Aber ich glaube,
diese Soldaten wollten uns lediglich
beschäftigen und in Deckung halten.
Der Hauptangriff und die Mehrzahl
der angreifenden Soldaten waren in
der Mitte der Kette von Gebäuden,
die wir besetzt hielten. Das Problem
für die Deutschen im Bereich ihres
Hauptangriffs war die Überquerung
der Dorfstraße, der Vorgärten und der
Höfe. Die Häuser in der Dorfmitte
hatten Steinmauern als Begrenzung
entlang unserer Straßenseite.
Die feindlichen Soldaten konnten die Begrenzungsmauern erreichen, wenn
sie die Straße überquert hatten, doch sobald sie die Mauer
überspringen oder umgehen wollten, waren sie dann leichte Ziele.
Alle Züge forderten Artillerie und Werfer-Unterstützung an. Das
angeforderte Unterstützungsfeuer kam fast auf uns selbst herab. Es
sollte über unsere Häuser auf den Steilhang jenseits der Dorfstraße
und auf die Straße selbst gerichtet sein, weil der deutsche
Gegenangriff von dort herkam.
Dieses Sperrfeuer setzte sich für mehrere Stunden fort. Alle Züge
begannen Munition zu sparen. Die Häuser in der Dorfmitte, dem
Hauptangriff ausgesetzt, waren, wie ich mich zu erinnern glaube, vom
3. Zug unter Leutnant Citrac besetzt. ...“
„... Die Deutschen kreisten das Haus ein und feuerten Panzerfäuste
hinein, um es in Brand zu setzen. Jedesmal, wenn dann Feuer entstand,
wurde es schnellstens wieder gelöscht. Aber die Eingeschlossenen waren
erstmal von den Explosionen taub und geschockt.
Um Munition zu sparen und die Deutschen in Deckung zu halten, forderte
der 3. Zug mehr und mehr Werfer-Feuer an. Die 81mm Granatwerfer
befanden sich weit hinter
uns in Restorf und feuerten aus der Entfernung von 3000 Yards (2740
m), ungefähr die Grenzreichweite für Granatwerfer. Ungeachtet dessen
landeten die Werfer-Granaten
vor den Häusern, zwischen den Gebäuden und auf der Dorfstraße.
Ich glaube, Leutnant Citrac und vielleicht einige andere rannten von
Zeit zu Zeit aus dem Haus heraus, warfen Handgranaten hinter die
Begrenzungsmauern, und rannten dann wieder zurück.
Bei späteren Gesprächen mit den Leuten der Werfer-Gruppen berichteten
diese, daß eine Forderung lautete, das Werfer-Feuer sollte erst auf
ein gewisses Haus gerichtet werden und danach um 25 Fuß (7,6 m) weiter
vor. Die Werfer-Leute erwiderten darauf, daß sie aus einer Entfernung
von 3000 Yards schossen:
„... wie können wir da die Granaten 25 Fuß punktgenau einschlagen lassen?“
Dessen ungeachtet taten sie, was verlangt wurde und die Granaten
explodierten in Vorgärten oder Höfen. Dieses Werfer-Feuer wurde
pausenlos fortgesetzt mit Treffern auf dem Hofgelände, wo der Zug
Citrac eingeschlossen war, wodurch den Deutschen die Erstürmung des
Hauses unmöglich gemacht wurde.“
(Veröffentlicht in:
Kriegsende im Wendland, Band II,
Karl-Heinz Schwerdtfeger)
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Als der Gefechtslärm verstummt ist und man sich im
Haus Conrad fast sicher fühlt, gerät
Rodney Bond in eine höchst unangenehme Lage, weil ja wegen der Gänse die im
Haus befindliche Toilette nicht benutzbar ist.
Pevestorf 3
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Neue Fotos von Pevestorf 2006
(Seite erstellt im August 2011)
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