Der „bazooka“-Schütze in seiner Gruppe, Pfc. (Ogfr.) Rodney Bond
berichtet von der vorgefundenen Situation im Hause Conrad am Sonntag
noch vor dem wenige Stunden später erfolgten deutschen
Nachtgegenangriff auf Pevestorf und Restorf:
„... Nachdem am 22. April das Dorf (town) Pevestorf von uns ohne
Schwierigkeiten besetzt worden war, nahmen zwei Gruppen (squads)
unseres 3. Zuges Quartier in einem großen Bauernhaus. Das war ein
massiv gemauertes Steinhaus mit Erd- und Obergeschoß, sowie mit einem
soliden Keller, und befand sich ungefähr in der Mitte des Dorfes. Der
Bauernhof (farm yard) war ringsum eingegrenzt von Ställen (stables)
und Scheunen (barns). Die Wohnungseinrichtung der Bauernfamilie war
sehr ansprechend und schien mir wie von wohlhabenden Leuten zu sein.
...“
„... Wie in der Vergangenheit oftmals durchgeführt, wurden die
Hausbewohner auch hier in den Keller getrieben, den sie nicht
verlassen durften. Ich hatte nicht viel Kontakt zu den Zivilisten im
Keller, weil ich die meiste Zeit oben im Hause mit meiner „bazooka“ in
Schußbereitschaft zu sein hatte.
Außerdem hatten wir ja Befehl, nicht mit den Deutschen zu sprechen (non-fraternazation-rule
= Verbrüderungsverbot).
Aber trotz des Verbotes sprach ich doch mit den Zivilisten im Keller,
wenn ich keinen Wachdienst hatte und den reich gefüllten Vorratskeller
durchschnüffelte (sniffing around).
Falls ich mich recht erinnere, dann befanden sich außer den
Hausbewohnern auch noch mehrere deutsche Gefangene im Keller, die sich
anscheinend kampflos ergeben hatten und einfach versteckt
zurückblieben, als sich die Deutschen aus dem Ort zurückzogen.
Aber da waren auch drei französische Zwangsarbeiter (slave laborers)
die mir berichteten, daß sie schon seit Tagen auf ihre Befreiung
gewartet hätten.
Da war auch ein etwa 14jähriger deutscher Junge im Keller. Der prahlte
anscheinend damit, daß er auf uns Amerikaner geschossen habe. So
jedenfalls deutete ich seine gestenreiche Erzählung. Ich verstand kein
Deutsch und er sprach kein Wort Englisch. Mein erster Gedanke war, ihn
unserem Leutnant Gill zu melden. Unterließ das aber, weil ich
fürchtete, mich durch ein Mißverständnis zu blamieren. Überhaupt
sprach niemand von uns Deutsch und von den Zivilisten konnte keiner
Englisch. So war eine Verständigung nur durch Zeichensprache möglich.
Ich werde wohl die Gestik des Jungen falsch verstanden haben.
Pfc. (Ogfr.) Rodney Bond,
3. Zug (platoon), I-Kompanie,
335. Infanterie-Regiment,
84. US-Infanterie-Division.
Rod war in seiner Gruppe (squad)
der „bazooka“-Schütze.
Foto: Privataufnahme von Rodney Bond
aufgenommen möglicherweise in
Prezelle am 20. April 1945
"Am Nachmittag desselben
Tages (22. April) briet die
Bauersfrau auf dem Herd in
der Waschküche in einer
großen Pfanne für alle im
Keller anwesenden Zivilisten
und Soldaten Omelette und
Bratkartoffeln mit Speck.
Für uns Amerikaner, die wir seit Tagen kein warmes Essen mehr erhalten
hatten, war diese Speise wie ein Festtagsessen. Ein unbekanntes Essen,
denn wir GI.s kannten nur „ham and eggs“ (Schinken und Eier) oder „baked
potatoes“ (gebackene Kartoffeln), aber nicht die deutsche Art der
Bratkartoffeln in Scheiben geschnitten mit Rührei und Speck.
Es hat ganz wunderbar geschmeckt und bewirkte wenigstens bei mir eine
bleibende Erinnerung daran.
Während es draußen heftig krachte, weil sowohl unsere Artillerie als
auch deutsche Artillerie sporadisch Störfeuer auf die Höhen westlich
vom Ort und die feindlichen Geschütze besonders auf Pevestorf
schossen, fühlten wir uns im massiv gebauten Steinhaus relativ sicher
vor den Granaten. Die Kellerfenster waren mit dicken Balken gegen
Granatsplitter gesichert. Natürlich mieden wir das Dachgeschoß.
Es gab an dem Nachmittag aber auch eine recht lustige Begebenheit, die
mich heute noch zum Lachen bringt. Im geräumigen Badezimmer mit der
Toilette, ich glaube dieses Bad lag im Erdgeschoß, befanden sich
eingesperrt drei Gänse.
Schütze Burda war der älteste Soldat in der Kompanie.
Ein Berufssoldat (career army person), der in seinen frühen Vierzigern
war, und vom Hauptfeldwebel zum einfachen Schützen wegen Trunkenheit
im Dienst degradiert worden war.
Es war noch Tageslicht als
es ruhig wurde und Burda tat,
was jeder GI zu tun geneigt
war – er begann im Hause
herumzuschnüffeln (snoop
around). Als er die Tür zu
einem großen Klosettraum
öffnete, wurde er überraschend
begrüßt von drei Gänsen.
Offenbar waren die über die
vorhergehenden Stunden
geräuschvoller Ereignisse
überhaupt nicht begeistert,
und gingen nun dazu über,
Rache zu nehmen an Burda.
Sie senkten an langgestreckten
Hälsen ihre Köpfe, watschelten
bedrohlich auf ihn zu, bei
jedem Schritt zischend.
Worauf Burda flüchtete.
Andere von uns versuchten
darauf, sie durch die Eingangstür
auf den Hof hinaus zu treiben.
Aber anscheinend erinnerten sie
sich, daß der gewaltige Lärm
draußen gewesen war.
So weigerten sie sich standhaft
(steadfastly) hinauszugehen.
Wie sie in dieses Klosett
gekommen waren, fand
niemand von uns heraus.
Die Gänse wollten offenbar
mit uns zusammen die Nacht
im sicheren Hause verbringen...“
Kopie der betreffenden Seite des
Briefes von
Rodney Bond an Karl-Heinz Schwerdtfeger
mit einer Skizze der angreifenden Gänse in der
Toilette des Hauses Conrad.
(Veröffentlicht in:
Kriegsende im Wendland, Band II,
Karl-Heinz Schwerdtfeger)
|