Datenschutzerklärung:  Wenn Sie dem Webmaster eine Mail senden, gehen Sie das Risiko ein, dass Ihre Mail-Adresse von Dritten abgegriffen wird, wie auch, dass Ihr Surfverhalten auf dieser Website vom Server registriert wird und somit von Geheimdiensten, zahlungskräftigen Großkonzernen oder sonstigen Interessierten ausgewertet werden kann.
        Home    Navigation im

1973 mit der DKP in die DDR 

 Bereich

 


Zum Thema


 

 

 

 

 

 

...

Die DDR kämpft um ihre Anerkennung. Sie gibt sich weltoffen, international und tolerant. Wir sind herzlich willkommene Gäste, haben alle ein (ganz ungewöhnliches) Visum für die gesamte DDR, dürfen Fragen stellen und uns frei bewegen. Allerdings ist das Programm voll. Man will uns ja so viel wie möglich zeigen... Und als DKP-Sympathisanten mit gestandenen Parteigenossen an der Seite, sind wir mit Fragen zumeist wohlwollend bis vorsichtig. 
Am Ende kann ich mich aber fast einen ganzen Tag von der Gruppe lösen und allein mit meinem Käfer eine größere Fahrt durch die DDR machen.

Im „Schweriner Hof“ in Stralsund ist unser Quartier. Wir sind mit privaten Pkw angereist.

Ich bin beim Fotografieren sehr zurückhaltend und nehme Personen meist nur von hinten auf. In Ost und West werden Fotos missbraucht. Auch im Westen gibt es Berufsverbote.

Die Hauptveranstaltungen der Ostseewoche finden in Rostock statt. Wir warten auf den großen Eröffnungsumzug. Es kommen einige Tausend FDJ-Blauhemden und dann die Betriebs-Kollektiven. Ich habe völlig gemischte Gefühle.

Meine Notizen:„Der Umzug ist locker und unmilitärisch. Aber über Lautsprecher kommen ganz schaurige Kommentare in Versform, die mich an Karnevalsveranstaltungen erinnern. Großfotos von Parteifunktionären und Abertausende von Fahnen.
Dann und wann hab ich Probleme mit der Sprache. Man nennt diesen Umzug hier eine Demonstration. Diesen Begriff kenne ich nur in ganz anderen Zusammenhängen..."

Auch Stralsund ist für die Ostseewoche geschmückt.

 

 

 

 

Eine Agrar-Messe mit umwerfend großen Maschinen soll uns beeindrucken. Das ist die Zukunft des Sozialismus!

Wir fahren zu einer LPG. Teilweise sieht es aus wie auf der Messe.

Aber es bleibt uns nicht verborgen, dass es sich um eine Muster-LPG handelt, zum Vorführen. Davon gibt es nur zwei oder drei in der DDR.

Ein großes Gestüt gehört zu dieser Vorführ-LPG.

Die Reiseleitung ist bemüht, nicht nur schönen Schein vorzuführen und Ehrlichkeit und Offenheit zu demonstrieren. Deshalb besuchen wir auch die kleinste LPG der Region:
In Wüstenhagen-Kummerow sieht es weniger amerikanisch aus. Eher so, wie der Doppelname andeutet.
600 Einwohner in drei Mini-Gemeinden. Früher waren das zwei Güter und ein Kleinbauernhof. Vor 1945 gab es keine festen Straßen. Heute gibt es elektrischen Strom und Straßenanbindung. Solches erfahren wir bei einem Vortrag des LPG-Vorsitzenden. Mein Eindruck: Die Gebäude sind aber noch von früher...
Im ehemaligen Gutsschloss sind Wohnungen eingerichtet. Es gibt jetzt einen Kindergarten, einen Spielplatz und eine neue Schule. Einige weitere Stichworte aus dem Vortrag:
1000 ha werden bewirtschaftet. Das Vieh war 1945 nach Westen(!) getrieben worden. Das Land wurde an Einzelbauern verteilt. Kaum Mechanisierung. Die ersten Traktoren kamen aus der Sowjet-Union. 1952 bildeten fünf Bauern eine Genossenschaft und legten ihr Vieh zusammen. Bis 1961 waren die Vorteile der LPGs so deutlich geworden, dass sich alle anderen auch anschlossen. Das 1945 verteilte Gutsland ist auch nach der Zusammenlegung noch Eigentum der Einzelmitglieder.

Der ganz große Stolz der DDR ist der Wohnungsbau. Hier wird geklotzt. Wir besuchen Knieper-West bei Stralsund. Ich kann mich nicht begeistern. Im Westen verurteilen wir Trabantenmassenquartiere wie das Märkische Viertel in Berlin-West als unmenschliche Betonwüsten. Dabei sind die immerhin noch farbenfroh. Dies hier ist nur ein bestürzend billiger Abklatsch. Ich versuche, alle Urteile zu verdrängen und zu sehen, dass es im Sozialismus aufwärts geht.

Der Vorsitzende der Betriebsgruppenleitung des Volkseigenen Wohnungsbaukombinats Knieper-West, ein Teilbetrieb des Kombinats Bauwesen Rostock, erklärt uns das Bauwesen in der DDR. Das Kombinat ist verantwortlich für den gesamten Komplex vom ersten bis zum letzten Strich und erstellt 1000 Wohnungen im Jahr. Die große Zahl neuer Wohnungen wurde  durch die in der DDR entwickelte Plattenbauweise ermöglicht.

Bei kleinen Diskussionen mit unserer Delegationsleitung werden leise Zweifel an dieser sozialistischen Bauweise geäußert.
Aber wir sehen alle ein, dass die Menschen billige Wohnungen brauchen und die DDR dies ganz schnell für alle schaffen will. Die eigentliche Zielvorstellung vom menschlichen Wohnen ist es eben noch nicht.

Und dann die Partei, die Demokratie(?), die Propaganda. Es fällt mir verdammt schwer, ein DKP-Sympathisant zu sein.

 

Ton

Ich beobachte. Ich sehe, dass man hier lebt und leben kann. Ich sehe nicht, dass irgend etwas besser ist, als im Westen. Ich bin nicht beim MSB Spartakus, um im Westen den Sozialismus aufzubauen. Mein Anliegen ist die Beendigung des Kalten Kriegs und die Öffnung der Grenzen. Dies scheint mir nur durch die „Friedliche Koexistenz“ möglich zu werden und das geht nur, wenn man in der westlichen Gesellschaft aufhört, die kommunistischen Regime zu verteufeln.
Außer mit dem Zimmermädchen vom Hotel, das mir später eine Postkarte schickt, komme ich zunächst mit niemandem in ein privates Gespräch. Aber dann gelingt es mir, mich von der Gruppe abzusetzen und eine Fahrt durch Mecklenburg zu machen. Ich will die Orte aufsuchen, von denen Vater immer erzählt hat. Ich fahre über Greifswald, Anklam, Friedland nach Neubrandenburg. Das Dorf Brunn finde ich nicht, aber ich weiß, dass ich irgendwo ganz in der Nähe vorbeigefahren bin. Orte zu besichtigen, bringt mich auch nicht wirklich weiter. Ich bin in einem Wirrwarr von Gefühlen. Dazu gehört auch etwas Angst vor der hiesigen Staatsmacht trotz gültiger unbegrenzter Papiere. Mindestens so stark ist aber der Stolz, diese Fahrt überhaupt machen zu können. Es kommt mir grandios vor, wie ich es geschafft habe, mich frei in der DDR bewegen zu dürfen. Aber dann kommen die Grübeleien über die Scheiß-Grenze und am Ende gerate ich in Wehmut.

Ich nehme eine Tramperin mit, die mir sofort sehr sympathisch ist.
Es gehört für sie eine Portion Mut dazu, mit mir zu fahren. Westkontakte sind nicht gut für die Karriere. Wir unterhalten uns politisch nur sehr vorsichtig. Über die Scheiß-Grenze sind wir uns einig. Aber ansonsten ist sie ja mit ihrem Leben in der DDR zufrieden.
Das kurze aber intensive Gespräch mit ihr verstärkt meine Wehmut. Warum darf die Frau nicht in ein Westauto einsteigen? Warum darf sie gar nicht mit mir reden? Warum darf ich sie nicht einfach immer wieder besuchen?

Von der Propaganda hier hab ich genug mitbekommen und lasse mich davon nicht beeindrucken. Aber ist nicht alles, was in westlichen Medien über den Osten gesagt und geschrieben wird, auch nur Kalte-Kriegs-Propaganda?
Die Grenze muss geöffnet werden! Dafür will ich kämpfen.
Willi Brandt und Walter Scheel sind auf dem richtigen Weg. Ich sehe den Sinn der DKP darin, die gnadenlose gegenseitige Verteufelung der Systeme aufzuweichen, um ein friedliches Nebeneinander zu ermöglichen und damit auch die politische Unterdrückung im Osten überflüssig zu machen.
 
Wenige Wochen später zieht es mich zu den Weltjugend-Festspielen in "Berlin, Hauptstadt der DDR". Leider habe ich nur wenige Stunden Zeit, die internationale Feier zu genießen.
Mit 8 Millionen Besuchern ein wirkliches Großereignis.

Eröffnung der Weltfestspiele in Berlin im Sommer 1973.
© www.ddr-fotos.de / Marco Bertram


 

 

Aber die DDR hat auch in dieser Zeit noch ein anderes Gesicht.


Bitterwerder an der Elbe wird 1974 zerstört.
 

  nach oben          zurück                                                                                                       (Seite erstellt 2005)